BUND Regionalverband Rhein-Neckar-Odenwald

Bedenkliche Praxis bei Ausweisung von Neubaugebieten

14. Mai 2020 | Nachhaltigkeit, Naturschutz

Bauen auf der grünen Wiese - das soll entgegen der Nachhaltigkeitsziele weiterhin erleichtert werden (Foto: Barbara Wolf).  (Barbara Wolf / BUND)

BUND, LNV und NABU warnen vor einer Wiedereinführung des §13b BauGB
 

Heidelberg. Während einerseits Blühwiesen, Insektenhotels und Nistkästen Hochkonjunktur
haben, wird eine umfassende nachhaltige Entwicklung in Deutschland an entscheidenden
Stellen weiterhin konterkariert. So wurden auch in der Region mit Hilfe des §13b
Baugesetzbuch (BauGB) in den letzten Jahren neue Baugebiete auf der „grünen Wiese“
ausgewiesen. „Statt den angespannten Wohnungsmarkt in den Ballungsräumen zu entlasten,
wurden in über 85 Prozent der Fälle Ein- und Zweifamilienhäuser im ländlichen Raum gebaut.
Das ist kein Beitrag, um den Wohnungsmangel für alle Bevölkerungsschichten zu beseitigen
und schafft auch keine Unterkünfte für Geflüchtete“, so Christiane Kranz vom NABU RheinNeckar-Odenwald. Damit wurden die eigentlichen Ziele des §13b BauGB klar ausgehebelt. Mit
irreversiblen Folgen. Ein Blick auf einen kleinen Paragrafen und seine Wirkung.


Was ist der §13b BauGB?
Mit Einführung des §13b BauGB im Jahr 2017 wurde die Möglichkeit geschaffen, in einem
beschleunigten Verfahren im Außenbereich von Gemeinden Baugebiete auszuweisen. Das
ursprüngliche Ziel, kostengünstigen Wohnraum zu schaffen, wird jedoch laut aktuellen
Studien weit verfehlt. Stattdessen nutzen viele Gemeinden die Vorzüge, wie reduzierte
Umweltauflagen, den Verzicht auf Ausgleichsmaßnahmen und ein Absehen von der
frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung. Gleichzeitig hebelt der Paragraf wichtige
Planungsinstrumente aus, wenn Bebauungspläne nicht aus dem Flächennutzungsplan
entwickelt werden. Dr. Bianca Räpple, Regionalgeschäftsführerin des BUND Rhein-NeckarOdenwald (RNO): „Während der Paragraf ursprünglich bis Ende des Jahres 2019 befristet war,
wird derzeit auf Bundesebene eine Verlängerung diskutiert. Dies ist äußerst kritisch zu
bewerten, da hier den Nachhaltigkeitszielen entschieden entgegengewirkt wird. Ob diese
Entwicklung europarechtskonform ist bleibt außerdem zu bezweifeln“.


Wie ist die Situation in der Region Rhein-Neckar-Odenwald?
Auch bei uns findet der Paragraf rege Anwendung und wird – wie im gesamten Bundesgebiet
– vor allem von kleinen Gemeinden in Anspruch genommen. Das Regierungspräsidium
Karlsruhe meldete in diesem Rahmen auf eine Anfrage des BUND RNO für die Landkreise
Rhein-Neckar und Neckar-Odenwald jeweils 15 rechtskräftige oder im Verfahren befindliche
Bebauungspläne seit der Einführung 2017. Die hier an den Ortsrändern überplante Fläche
beträgt ca. 50 ha, also rund 70 Fußballfelder. Allerdings ist diese Aufzählung nicht vollständig,
alleine in der Gemeinde Helmstadt-Bargen sind den Naturschutzverbänden drei weitere Fälle
bekannt. Für die Stadtkreise Heidelberg und Mannheim wurden jeweils keine
Bebauungspläne nach §13b zurückgemeldet.
Räpple erläutert einige Details zu den einzelnen Plänen: „Gleich drei geschützte Biotope fielen
einem Bebauungsplan in Reichartshausen zum Opfer. In Gaiberg musste eine artenreiche
Streuobstwiese weichen, obwohl der BUND, in Zusammenarbeit mit dem Verein zum Erhalt
Gaiberger Streuobstwiesen ein Normenkontrollverfahren mit Eilantrag eingeleitet hat, bei
dem ein endgültiger Beschluss noch aussteht. Oft sind es auch wichtige Ackerflächen, die
betroffen sind, so unter anderem in Hockenheim, Neulußheim oder Eschelbronn. Viele
Gemeinden wiesen gleich mehrere neue Baugebiete aus, so geschehen z.B. in HelmstadtBargen oder Walldürn. In Helmstadt ist vorgesehen, eine ausgewiesene Retentionsfläche zu
überbauen, die die Bewohner eigentlich vor Hochwasserrisiken schützen sollte“.


Was kritisieren die Naturschutzverbände am §13b BauGB?
„Vor allem die umfangreiche Anwendung des Paragrafen ist erschreckend“ so Räpple. „Immer
mehr Fläche wird versiegelt und steht somit nicht mehr zur Aufnahme von klimarelevanten
Gasen zur Verfügung, sondern trägt im Gegenteil noch zur Erwärmung bei. Auch wirkt man so
dem Erhalt der biologischen Vielfalt entgegen“. Denn Landschaften werden weiter
zerschnitten und Lebensräume zerstört. Dörfer wachsen in die Fläche, während die Dorfkerne
veröden. In ihrer Nachhaltigkeitsstrategie legte die Bundesregierung das Ziel fest, den
Flächenverbrauch im Land bis 2030 auf 30 ha pro Tag zu beschränken, bis 2050 will man auf
Nettonull sein. Das Problem wurde also erkannt. In der Praxis zeigt sich jedoch ein anderes
Bild. So ist die Siedlungsentwicklung vor allem im ländlichen Raum noch nicht auf dem
richtigen Kurs, wie die jüngsten Daten des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg
belegen.
Allen genannten Fällen gemeinsam ist, dass der Paragraf offensichtlich als Erleichterung für
eine weniger komplizierte Ausweisung von neuen Siedlungsflächen am Ortsrand
hergenommen wird – vornehmlich in Form von flächenfressenden Einfamilienhaussiedlungen.
Damit wollen die Gemeinden nicht unbedingt bezahlbaren Wohnraum schaffen, sondern –
leider auch in Konkurrenz zueinander – zusätzliche Einwohner gewinnen, durch die man sich
eine Aufbesserung der Gemeindekasse erhofft. Gerhard Kaiser, LNV-Arbeitskreis Mannheim,
Heidelberg, Rhein-Neckar: „Es handelt sich also eigentlich um eine missbräuchliche
Anwendung eines Gesetzes. Daher sollte der Gesetzgeber von einer Verlängerung der
Gültigkeit des §13b BauGB auf unbestimmte Zeit absehen“.
 

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